Arbeit auf Abruf

Arbeit auf Abruf

„Arbeit auf Abruf“ ist einfach definiert: Ein Mitarbeiter kommt zur Arbeit, wenn es etwas zu tun gibt. Dieses Modell ermöglicht es einem Arbeitgeber, Mitarbeiter flexibel einzusetzen, um nicht zu planende Arbeitsspitzen abzudecken. Dieses Modell kann bei Teilzeitbeschäftigten angewendet werden, in den meisten Fällen trifft es jedoch auf geringfügig Beschäftigte zu. Denn genau dafür werden beispielsweise in der Gastronomie – aber nicht nur dort – Aushilfen beschäftigt. Ist plötzlich viel los, weil die Sonne scheint und die Terrasse brummt, wird telefonisch auf die Schnelle Verstärkung herbeigerufen. So weit, so gut. Aber: Die Beschäftigung von Aushilfen birgt leider auch ein paar Fallen, die viele Betriebe nicht auf dem Schirm haben. Um im Prüfungsfall kein böses Erwachen zu erleben, lohnt es sich also weiterzulesen.

Ein Blick in den Gesetzestext

Das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ermöglicht die Arbeit auf Abruf in §12 ausdrücklich. Dort heißt es:

Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf).

Der Mitarbeiter hat somit keine festen Arbeitszeiten und kann nach Bedarf eingesetzt werden. Dass die Einteilung zur Arbeit mit einer Frist von vier Tagen zu erfolgen hat? Geschenkt, solange die Aushilfe freiwillig schneller kommt. Dass die 450 €/Monat oder zumindest die 5.400 €/Jahr als Lohngrenze nicht überschritten und der Mindestlohn dabei nicht unterschritten wird? Allgemein bekannt und respektiert.

Prüfungsfalle Nr. 1: der ungenügende Arbeitsvertrag

Weniger bekannt ist eine Neuerung, die in 2019 beinahe stillschweigend und von vielen noch immer unbemerkt eingetreten ist. Der §12 TzBfG schreibt nämlich weiter vor:

Die Vereinbarung muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen. Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt eine Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart.

Und hier fängt das Problem an: Sollten die Arbeitsverträge mit Ihren Aushilfen keine wöchentlichen Arbeitsstunden ausweisen, so werden bei der Sozialversicherungsprüfung 20 Stunden pro Woche unterstellt. Wenn man dann lediglich mit dem Mindestlohn rechnet, sieht das Ergebnis wie folgt aus: 20 Stunden x 9,82 € Stundenlohn x 4,35 Wochen = 854,34 € Monatslohn. Damit wird der Gesamtbetrag sozialversicherungs- und lohnsteuerpflichtig (bei Aushilfen meist Lohnsteuerklasse 6) und muss nachgezahlt werden. Die Nachzahlungen über einen Prüfungszeitraum von meist drei Jahren können also ruinöse Dimensionen annehmen. Darüber hinaus könnten die nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge zu strafrechtlichen Folgen führen. Arbeitsverträge, die diese Neuerung noch nicht berücksichtigen, sollten deshalb dringend angepasst werden.

Außerdem zu beachten: die Flexibilität von „Arbeit auf Abruf“ hat Grenzen

In §12, Absatz 2 TzBfG wird darüber hinaus auch geregelt, dass die vereinbarte Wochenarbeitszeit um höchstens 20% unter- und um 25% überschritten werden darf. Dies heißt, dass bei einer vereinbarten Wochenarbeitszeit von zehn Stunden die Aushilfe mindestens acht Stunden arbeiten muss und höchstens 12,5 Stunden arbeiten darf. Der Flexibilität im Rahmen der „Arbeit auf Abruf“ sind durch diese Regelungen somit derart enge Grenzen gesetzt, dass man zur Meinung gelangen könnte, der Gesetzgeber möchte dieses Arbeitsverhältnis für einen Arbeitgeber möglichst unattraktiv machen.

Prüfungsfalle Nr. 2: Der Phantomlohn

Aushilfen sind keine rechtlose „Verfügungsmasse“, wenn im Unternehmen „Not am Mann“ ist. Geringfügig Beschäftigte haben dieselben Rechte wie Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigte, beginnend mit Kündigungsfristen und endend mit Anspruch auf bezahlten Urlaub. Dabei werden vor allem die Urlaubsansprüche nicht immer berücksichtigt. Für die gilt das sogenannte Entstehungsprinzip. Sollten Aushilfen während ihrer Beschäftigungszeit keinen Urlaub genommen haben, bedeutet dies, dass der Anspruch auf Urlaub bei einer Sozialversicherungsprüfung den Aushilfslöhnen hinzugerechnet wird. Sollte ein geringfügig Beschäftigter also immer „bis Anschlag“ mit 450€ / Monat beschäftigt worden sein und der Urlaub hinzugerechnet werden, gilt, was bereits unter „Prüfungsfalle 1“ beschrieben worden ist. Es ist deshalb von eminenter Bedeutung, Urlaub auch bei Aushilfen auszuweisen. Manche Unternehmen setzen alternativ auch die Lohngrenze bei ihren Aushilfen auf beispielsweise 400 € herab. Erfolgt durch den Sozialversicherungsprüfer dann eine Hinzurechnung des Urlaubs, so wird zumindest die 450 €-Grenze nicht gerissen. Das Problem wird damit auf das rein Arbeitsrechtliche eingeschränkt, berührt jedoch nicht mehr die Sozialversicherung.

Lohnt sich der Einsatz von Aushilfen überhaupt noch? - Aber ja!

Trotz aller rechtlichen Einschränkungen sind Aushilfen noch immer das probate Mittel, um Arbeitsspitzen abzudecken. Neben der Berücksichtigung des eben Beschriebenen ist lediglich eine saubere und wasserdichte Dokumentation erforderlich, die einer Prüfung standhält. Hierzu gehört bestenfalls auch, ein ordentlich geführtes Monats-Arbeitszeitkonto vom Beschäftigten unterschreiben zu lassen und dies zu archivieren. Selbst bei einem mangelhaften Arbeitsvertrag verbleibt damit die Möglichkeit, mit einem Prüfer argumentieren zu können. Denn wenn Sie nachweisen, dass die in der Vergangenheit geleisteten Arbeitszeiten den sonstigen Regelungen entsprechen, haben Sie die Chance, den Nachzahlungen mit all ihren Folgen zu entkommen.