Im Verhältnis zu anderen Branchen schneidet die Gastronomie im Durchschnitt wirtschaftlich relativ schlecht ab. Dies wird häufig damit begründet, dass Lohnkosten und Abgabenlast zu hoch und damit die Profitabilität der Unternehmen zu gering seien. Dieser Eindruck entsteht leicht und ist verständlich, wenn ein Gastronom nach einer langen Reihe langer und harter Arbeitstage „sieht“, was für ihn am Ende übrig blieb. Die Annahme, dass die Kosten für Arbeit in Deutschland zu hoch sind, ist in den allermeisten Aspekten jedoch schlicht falsch.
Tatsächlich bietet der Wirtschaftsstandort Deutschland Voraussetzungen, die sich Unternehmer in anderen Ländern Europas wünschen würden. Zum einen bietet der Gesetzgeber Möglichkeiten der Lohngestaltung, die in anderen Staaten nicht einmal zu träumen sind. Und darüber hinaus, auch wenn es nicht der subjektiven Wahrnehmung der deutschen Unternehmer entspricht: die Lohnkosten in Deutschland liegen zum Teil erheblich unter dem europäischen Durchschnitt. Die Möglichkeiten, die sich aus diesen beiden Faktoren ergeben, müssen nur genutzt werden.
Mit einer kleinen Reihe von Artikeln wollen wir Ihnen praktische Tipps geben, wie Sie die gegebenen Möglichkeiten nutzen können, um schnell und wirksam Ihre Personalkosten zu senken. Mit diesem einführenden Artikel wollen wir jedoch zuerst darlegen, warum Sie sich zeitnah mit dem Thema auseinandersetzen sollten. Um das Ergebnis schon einmal vorweg zu nehmen: Es gibt keine Kostenart in Ihrem Unternehmen, die Sie einfacher verringern können als die Personalkosten. Und keine Kostenposition wird mehr entscheiden, wie erfolgreich Sie Ihr Unternehmen durch die schwierige Zeit von Corona führen werden. Um hier erfolgreich zu handeln, brauchen Sie auch kein akademisches Wissen. Doch eines nach dem anderen.
Denn zuerst wollen wir mit der grundsätzlichen Fehleinschätzung zu Lohnkosten in Deutschland aufräumen.
Deutschland = Teuerland?
Gesamtwirtschaftlich liegen die Lohnkosten in Deutschland mit 27 € pro Stunde nur 5 € über dem Durchschnitt des Euroraumes. In diesen Euroraum-Durchschnitt fließt aber mehr als die Hälfte aller Staaten ein, bei denen die Lohnkosten zwischen 20 € (Slowenien) und 4 € (Bulgarien) liegen. Im Vergleich zu den europäischen „Kernstaaten“ liegt Deutschland im unteren Drittel. Nur Schweden, Frankreich, Österreich und Italien haben einen geringeren Lohndurchschnitt (1).
Auch bei den oft beklagten Lohnnebenkosten sind die Annahmen der meisten schlicht falsch. Im EU-Vergleich der Lohnnebenkosten (Arbeitgeber) führt Deutschland mit 27 € Lohnnebenkosten je 100 € Lohn nur die untere Hälfte an. Österreich wartet, nur zum Vergleich, mit 39 € auf, der Schnitt der EU-19 liegt bei 34 € (2).
Ganz ähnlich sieht es bei der Betrachtung des Mindestlohns aus. Im Sinne der Armutsvermeidung gilt ein Mindestlohn erst dann als angemessen, wenn er 60% des Durchschnittslohns erreicht. Der relative Wert des Mindestlohns liegt in Deutschland aber nur bei 45,6%. Innerhalb Europas schneiden nur Estland, Tschechien und Spanien noch schlechter ab (3).
Um 60% des Durchschnittlohns zu erreichen, müsste der Mindestlohn in Deutschland im Übrigen bei etwa 12 Euro liegen.
An den Lohnkosten liegt die Misere der Gastronomie also nicht. Sehen wir uns deshalb die Gastronomielandschaft an und vergleichen Deutschland mit zum Beispiel Italien.
Das wirtschaftliche Umfeld
Deutschland hat bei 82 Mio. Einwohnern über 135.000 Restaurants, Cafés etc. (ohne Hotels), dem gegenüber stehen in Italien knapp 152.000 Restaurants bei 53 Mio. Einwohnern, also 12 % mehr (4). Allerdings geben wir Deutschen im Durchschnitt 13,7% des Einkommens für Nahrungsmittel aus, darunter Restaurantbesuche (5). Italiener hingegen liegen bei circa 18% (6). Setzt man die Konsumausgaben zueinander ins Verhältnis, gleicht dies den Unterschied in der Bevölkerungsanzahl fast völlig aus.
Den maßgeblichen Unterschied macht möglicherweise der Tourismus aus. 39 Mio. Touristen in Deutschland stehen mehr als 128 Mio. Touristen in Italien gegenüber – und wie jeder weiß: Im Urlaub sitzt das Geld wesentlich lockerer.
Über die gesamtdeutsche Gastronomie ließe sich verallgemeinert sagen, dass zu wenig Konsum auf zu viele Betriebe verteilt ist. Das relativ hohe Umsatzniveau in „boom towns“ wie zum Beispiel München verstellt den Blick auf den simplen Umstand, dass der durchschnittliche Umsatz / Betrieb angesichts der Kostenstruktur zu gering ist.
Druck von oben, Druck von unten
Gastronomie ist an erster Stelle umsatzgetrieben. Denn zu den Kosten der Warenabgabe und den im Durchschnitt zu hohen Personalkosten kommen relativ hohe Fixkosten durch Miete, Energie- und Entsorgungskosten hinzu und an diesen Kosten lässt sich nur schwer drehen.
Die Fixkosten lassen sich zwar optimieren, doch ist die Wirkung in Summe meist zu vernachlässigen. Die nachhaltige Senkung des Wareneinsatzes erfordert einen erheblichen Aufwand an Energie und Zeit, den Einsatz geeigneter Medien und Programme und nicht zuletzt tiefergehende Kenntnis vom F&B-Management. Darüber hinaus ist der nachhaltige Erfolg abhängig von der Mitarbeit des gesamten Teams, der fortwährenden Disziplin bei der Rezeptur-getreuen Zubereitung der Speisen und Getränke und der präzisen Arbeit eines jeden Einzelnen. Mit jedem Schnitt des Tranchiermessers wird der Wareneinsatz schließlich im Kleinteiligen neu definiert.
Doch selbst wenn der Einzelne in diesem Bereich alles richtig machen sollte, sieht er sich häufig Kollegen gegenüber, die eben nicht rechnen können oder wollen. Das sind jene, die meinen, dass die Anwendung der Grundrechenarten in der Gastronomie überflüssig sei. Die genannten Kollegen treten gegen den örtlichen Wettbewerber deshalb mit einem Schnitzel an, das noch größer als das des Konkurrenten und nochmal einen Euro günstiger ist.
In der mit deutlichem Abstand reichsten Volkswirtschaft Europas sehen zu viele Gastronomen in Deutschland den Preiskampf noch immer als das probateste Mittel beim Vermarkten der eigenen Leistung.
Die Preistreiberei nach unten führt unmittelbar zu einem niedrigeren Pro-Kopf-Umsatz und damit zur Umsatzsenkung in einer Branche, die vor allem durch Umsatz getrieben ist. Gastronomie ist nun einmal kein Discounter-Geschäft, da dem niedrigeren Preis im Regelfall keine geringeren Kosten in anderen Bereichen entgegengesetzt werden können.
In einer Branche mit hoher Wettbewerbsdichte wie der Gastronomie erhält die Kombination aus Druck auf den Umsatz von oben und Druck auf die Kosten von unten eine giftige Wirkung, die ein profitables oder zumindest rentables Arbeiten sehr schwierig machen. Hat ein Betrieb kein Alleinstellungsmerkmal, das ihn vom Konkurrenten absetzt, ist er diesem „Gift“ ausgesetzt.
Personalkosten = Gewinn oder Verlust
Da ein Einfluss auf das (un-)wirtschaftliche Denken von Wettbewerbern nicht möglich, das Drehen an den Fixkosten zu wenig wirksam und das Senken des Wareneinsatzes sehr aufwändig ist, blieben noch die Personalkosten als mögliches Steuerungsmittel für den Gewinn. Personalkosten sind nicht nur die mit zumeist deutlichem Abstand größte Kostenposition und damit am potenziell ergiebigsten. Sie sind auch mit weitem Abstand am einfachsten zu steuern.
Diese Kostenart bedeutsam zu senken erfordert weder das Wissen, das für effektives F&B-Management notwendig ist, noch nennenswert viel Zeit oder Energie. Es erfordert lediglich ein wenig Aufmerksamkeit und erzielt sofortige und unmittelbare Wirkung. Und vielleicht am Schönsten: Sie brauchen noch nicht einmal die Mitwirkung Ihrer Mitarbeiter - außer dass diese zur geplanten Zeit an ihrem Arbeitsplatz erscheinen!
In den nächsten Artikeln werden wir Ihnen Wege aufzeigen, wie Sie mit minimalem Aufwand, ohne jede Investition und sofort spürbar Ihre Margen erhöhen. Der Wirtschaftsstandort Deutschland mit seinen vergleichbar günstigen Voraussetzungen (siehe Einleitung) gibt Ihnen Handlungsmöglichkeiten, die Sie mittelfristig unbedingt nutzen sollten.
Bleiben Sie achtsam
Der stark erhöhte Binnentourismus und die Erweiterung der Außenflächen bei der städtischen Gastronomie hat vielen Betrieben zu Umsätzen verholfen, die relativ nahe an den Umsätzen des Vorjahres liegen. Dazu verschaffen die verringerten Mehrwertsteuersätze den gastronomischen Unternehmen im Augenblick „Luft“. Im günstigsten Fall kann der vorhandene Umsatz in Verbindung mit 5% Mehrwertsteuer bei manchen Betrieben sogar zu Gewinnmargen führen, die über jenen vor dem Lock down im März 2020 liegen.
Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese „Luft“ im Wesentlichen künstliche Beatmung ist.
Es muss keine "zweite Welle" und kein ein weiterer Lock down kommen, um die noch herrschende Umsatzsituation deutlich schwieriger zu machen. Mit dem Einsetzen der kalten Jahreszeit wird weniger gereist werden und in der Gastronomie werden die Außenflächen wegfallen. Die Abstandsregeln und das daraus resultierende ausgedünnte Platzangebot wird es nur relativ wenigen ermöglichen, das Umsatzniveau zu halten.
Sofern die Bundesregierung nicht neu entscheidet, wird die Mehrwertsteuer am 1. Januar 2021 auch wieder auf das ursprüngliche Niveau steigen. Die Wirkungen in Summe auf die Margen werden außer bei der sehr hochpreisigen Gastronomie, die durch die Abstandsregelungen am wenigsten betroffen ist, erheblich sein. Der Gastronomie stehen harte Zeiten bevor und es steht zu befürchten, dass nicht jeder Betrieb überleben wird. Doch die Chancen steigen für jene, die die Möglichkeiten nutzen und sich neu "aufstellen". Nicht als Gastronomen, sondern als Kaufmänner.
Bei den meisten wird es nicht um die Maximierung von Gewinn, sondern um die Minimierung von Verlusten gehen. Das relativ beste Ergebnis in dieser Situation wird nur von jenen erzielt werden, denen es gelingt, Arbeitszeit kontrolliert einzusetzen und Löhne neu zu gestalten.
Mit den nächsten Artikeln wollen wir Ihnen Wege aufzeigen, wie Sie dies erreichen können, ohne dass dies zwingend Ihre Mitarbeiter belasten muss. Sollte das von den Verbänden befürchtete „Massensterben“ in der Gastronomie tatsächlich einsetzen, werden Sie nicht nur die besseren Chancen haben, zu den „Überlebenden“ zu gehören. Wenn sich der Gesamtumsatz in der Gastronomie auf dann weniger Betriebe verteilt, nehmen Sie diesen Effekt mit. Auf längere Sicht steigt dann sogar die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Unternehmen am Ende sogar profitabler und gewinnstärker ist, als es vor Corona war.
Stay well and stay tuned!
Ihr Pentacode Team
(1) Eurostat, 11. April 2019
(2) Statistisches Bundesamt auf Basis von Eurostat, 23. April 2020
(3) WSI-Mindestlohndatenbank 2020
(4) Statista 2020, Erhebungszeitraum 2017
(5) Statista 2020, Erhebungszeitraum 2019
(6) ISTAT 2017