Ähnlich wie im Spiel sind wir auch am Arbeitsplatz auf der Suche nach subjektiv empfundenem Fortschritt. Ähnlich wie im Spiel sind wir auch bei der Arbeit auf der Jagd nach unserem besseren Ich.
- Roman Rackwitz
Roman Rackwitz, der führende Experte für Gamification im deutschsprachigen Raum, weiß: Ein Unternehmen, das in Sachen Mitarbeitermotivation ausschließlich auf hohe Löhne, Boni und Nettigkeiten wie Obstkörbe und Partyexzesse setzt, wird nie sein volles Potential entfalten. Stattdessen gilt es, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen das Gehirn jedes Mitarbeitenden auf Hochtouren laufen kann. Und zwar völlig frei von Wettbewerbsmentalität, einzig und allein aus dem inneren Willen heraus, einen guten Job zu machen.
Die unterschätzte Macht der inneren Einstellung
„Der Begriff ‚intrinsische Motivation‘ ist simpel erklärt: alles das, was du tust, um es zu tun - nicht etwa, weil man dir etwas dafür gibt, sondern weil du einfach Bock darauf hast - das tust du aus intrinsischer Motivation heraus“, erklärt Rackwitz. „Ein ganz konkretes Beispiel: Ein Student, der in der Uni sitzt, um Arzt zu werden, ist extrinsisch motiviert. Einer, der in der Uni sitzt, weil der Professor die Inhalte so inspirierend vermittelt und die Wissensaufnahme Freude macht, wird zu hohem Maße intrinsisch motiviert sein. Das eine Szenario ist resultatgetrieben, das andere aktivitätsgetrieben. Wichtig ist, dass man weiß: es gibt nicht das eine oder das andere Extrem. Es sind immer Abstufungen. Ich werde es nie schaffen, jemanden zu 100 Prozent intrinsisch zu motivieren. Dafür sind die Faktoren, die darauf Einfluss nehmen, viel zu individuell. Aber hier kommt die gute Nachricht: Wenn der Anteil an intrinsischer Motivation bloß zu einem kleinen Prozentsatz steigt, ist das bereits ein extremer Performance Treiber.“
Was hohe Bezahlung in puncto Motivation wertlos macht
Nun stellt sich die Frage: Wenn es so schwer ist, intrinsische Motivation hervorzurufen, aber so leicht extrinsisch zu motivieren, warum sollte ich denn als Arbeitgeber nicht einfach auf materielle Belohnung setzen? Vorausgesetzt natürlich, ich habe das Budget dazu. „Je mehr ich intrinsische Motivation in den Fokus nehme, desto weniger Fluktuation habe ich im Team. Mitarbeitende bleiben lange im Unternehmen, mit ihnen das Wissen und die Ausgaben für Recruiting Maßnahmen sinken deutlich“, fasst Rackwitz zusammen. Und wie jedes Unternehmen, das regelmäßig auf die zähe Suche nach qualifizierten, neuen Mitarbeitenden geht, weiß: der Begriff „war for talents“ kommt nicht von ungefähr. „Mehr Urlaubstage, ein höherer Bonus, ein schicker Firmenwagen, das alles kann die Konkurrenz auch bieten. Es kann also kopiert werden. Und das macht es wertlos.“ Unternehmen, die ihre Talente langfristig binden möchten, sollten sich lieber fragen: Was ist unser Alleinstellungsmerkmal mit dem wir neue Kräfte anziehen können? Und wie halten wir die guten Personalien im Haus?
Ein Selbstläufer für individuellen und unternehmerischen Wachstum
Die Antwort steckt statt in den quantitativen, in den qualitativen Charakteristiken des Arbeitsumfeldes. Rackwitz erläutert: „Wer Rahmenbedingungen schafft, die das menschliche Gehirn fordern und es dazu anregen, sein volles Potential zu entfalten, der hält seine Teamspieler nicht nur ständig am Ball, er sorgt auch dafür, dass der Output ganz von alleine steigt und vor allem qualitativ besser wird.“ Nebenher werde man automatisch zu einem attraktiven Arbeitgeber, weil die Menschen, die für einen arbeiten, das gerne tun und zu potentiellen Botschaftern werden. „Es ist seit Jahrzehnten erforscht, aber wird leider in der Regel von Unternehmen komplett ignoriert: Wenn der Mensch intrinsisch motiviert ist, zeigt er all die unglaublichen Eigenschaften, die man sich als Arbeitgeber in der Regel wünschen kann. Er ist kreativ, flexibel und extrem resilient. Ihn oder sie wirft so schnell nichts aus der Bahn. Denn selbst, wenn ich scheitere, aber den Weg dorthin schon als etwas Positives empfunden habe, weil ich daraus Schlüsse ziehe, bin ich keinesfalls frustriert, sondern angeregt es wieder und wieder zu probieren.“ Ein intrinsisch motivierter Mensch wird also ziemlicher Wahrscheinlichkeit nach aus der Situation lernen, seine Strategie anpassen und in seinem Metier wachsen.
Dienstleistung erfordert Motivation
Aber warum ist es so, dass Unternehmen klassischer Weise davon ausgehen, dass Arbeitnehmer eine Lohnerhöhung einem Job, der fördert und fordert, vorziehen? Rackwitz erklärt es mit dem Umbruch der Wirtschaftssysteme: „Im Zeitalter der Industrialisierung war es egal wie motiviert ein Mitarbeiter war. Er saß in der Fabrik und tat den ganzen Tag nichts anderes als Teil A an Ort B zu heben. Heute ist kein maschineller Output mehr gefragt. Wir sind eine Dienstleistungsgesellschaft geworden. Gefragt sind Kreativität, Designtalent, Innovation, Marketinggespür, Psychologie. Es ist nicht mehr wichtig, was du machst, sondern wie du es machst.“ Nur wer intrinsisch motivierte und damit kreative Mitarbeiter hat, die ein „growth mindset“ haben, also die innere Einstellung, die das persönliche Wachstum über die schnelle, materielle Zielerreichung stellt, kann sich als Dienstleister durch qualitativ guten Output aus der Masse hervorheben.
Die Erfahrung zeigt: Der Umbruch birgt Herausforderungen
Und wie schaffe ich nun als Arbeitgeber die Rahmenbedingungen, die intrinsische Motivation begünstigen? Rackwitz: „Wir alle lieben Herausforderungen: wir wollen unsere Zeit nicht verschwenden mit Dingen, die jeder machen kann, die uns nicht weiterbringen. Wir wollen wachsen. Also müssen auch unsere Aufgaben mit uns wachsen.“ Jeder kennt es aus dem eigenen Leben, aus dem Bereich Sport und Hobby: Spielt man Tennis und steigt auf, werden auch die Matches schwerer. Denn man hat es mit besseren Gegnern zu tun. Im Modellbau würde man nie zweimal das gleiche Modell bauen, sondern steigert sich stetig in Größe und Komplexität. „Wir machen es uns freiwillig selber kontinuierlich schwerer“, kommentiert der deutschsprachige Gamification Pionier. Aus der Zusammenarbeit mit vielen Unternehmen für die er beratend tätig ist, weiß er: „Immer mehr Firmen merken, dass wenn sie Prozesse maximal effizient gestalten, sparen sie zwar Ressourcen. Aber die Gefahr ist groß, dass es für das menschliche Gehirn langweilig ist.“ Die Herausforderung lautet also: Workflows soviel Struktur geben, dass sie kalkulierbar sind, aber eben auch Raum zur kreativen Gestaltung zulassen.
Drei Faktoren zur Steigerung intrinsischer Motivation
Wir wissen nun: Die Aufgaben am Arbeitsplatz müssen mit den Mitarbeitenden wachsen, damit er oder sie im Flow bleibt. Also im Zustand, der kontinuierlichen Motivation und des Fortschritts. Rackwitz weiß, neben dem Punkt „Fortschritt“ gibt es zwei weitere Faktoren, die intrinsische Motivation begünstigen: „Wenn man sehr motivierte Menschen befragt, warum sie motiviert sind, werden im Kern immer diese Punkte artikuliert: 1. Ich will besser werden in dem was ich tue. 2. Ich möchte eine gewisse Kontrolle haben über meinen Arbeitsalltag - selbst wenn das n der Regel nur ein subjektives Empfinden ist - und 3. Mein Job muss einen Impact haben. Letzterer ist ein ganz individueller Punkt und rangiert auf der Skala der Sinnhaftigkeit von ‚Leben retten‘ bis ‚seinen Job gut machen, damit andere ihren gut machen können.‘“
Modernes Personalmanagement – ein Ausblick
Alle Untersuchungen rund um das Thema intrinsische Motivation und den Effekt den sie auf den Erfolg jedes einzelnen und den des Unternehmens als Ganzes hat, zeigt: Modernes Personalmanagement muss sich weiterentwickeln - weg von der verwaltenden hin zur psychologischen Komponente. Denn auch, wenn es sicherlich der einfache, weil naheliegende Weg ist: Menschen viel zu bezahlen, reicht heute nicht mehr aus, um die Besten für sich zu gewinnen. Man muss sie dazu befähigen, ihrem besseren Ich nachzujagen – so wie im Spiel. Welchen entscheidenden Einfluss die Faktoren „Transparenz“ und „Zielvorgaben“ darauf haben, klären wir in einem nächsten Beitrag.